Traurige und müde junge Ärztin oder Krankenschwester, die auf dem Boden sitzt und ein Handy ans Ohr hält

Anforderungs- und Auswahlkriterien für externe Dienstleister

Bei der Kooperation mit privaten Dienstleistern haben die Betriebe ein Interesse daran, mit fachlich qualifizierten Anbietern zusammenzuarbeiten. Um sich bei der Auswahl eines geeigneten Angebotes orientieren zu können, formulieren der Autoren der „Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe“ eine Reihe von Anforderungs- und Auswahlkriterien, die Betriebe bei ihrer Entscheidung zu Rate ziehen können.

Beratung zur Primärpävention

Für diesen Bereich sollten einerseits breite interdisziplinäre Kompetenzen eingefordert werden, andererseits kann auch eine kreative Ausgestaltung des Handlungsfeldes die Wirkung primärpräventiver Maßnahmen sehr verstärken. Für Beratungen in diesem Bereich sollten vorhanden sein:

Kenntnisse der aktuellen primärpräventiven Konzepte, die in der betrieblichen Suchtprävention Anwendung finden, z.B. Punktnüchternheit, Risikokonsum;

Kenntnis der rechtlichen Grundlagen sowie der betrieblichen Konzepte zur Einschränkung des Suchtmittelkonsums (Modelle guter Praxis);

Möglichkeit der Arbeit mit Programmen zur individuellen Konsumreduzierung (Drink-Less- Programme, SKOLL, Nichtrauchertraining);

Kenntnis der Stresskonzepte, des Ansatzes der Salutogenese, des Work-Life-Balance-Konzeptes sowie des Selbstwirksamkeitskonzepts in der betrieblichen Gesundheitsförderung;

Einbeziehung gesundheitsförderlicher Maßnahmen und der Instrumente des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in die präventive Arbeit;

Kenntnis des Konzepts 'Gesundheitsorientiertes Führen';

Kompetenzen im Umgang mit neuen Medien, visueller Gestaltung von Materialen, Entwicklung kreativer Zugangswege zu verschiedenen Zielgruppen.

Qualifizierung von Personalverantwortlichen

Externe Dienstleister sollten in Seminaren mit Personalverantwortlichen das Thema lösungsorientierte Intervention bei Auffälligkeiten im Arbeits- und Leistungsverhalten schon bei Risikokonsum in den Vordergrund stellen, nicht auf Symptome zur Diagnose von Suchtkrankheit fokussieren.

Seminaranbieter sollten gleichermaßen über Fachkompetenz im Bereich psychosoziale Störungen, Risikokonsum und Sucht verfügen wie über Trainingsmethoden und -erfahrung im Bereich Führung und Kommunikation.

Das Interventionstraining sollte abgestellt sein auf gesundheitsorientierte Führung im Sinne frühzeitiger Gespräche bei Auffälligkeiten und Hilfeangebote an die Beschäftigten, Kommunikation von Wertschätzung, konsequente und konstruktive Ansprache von kritikwürdigem Verhalten und Problemen am Arbeitsplatz.

Beratung und Unterstützung von Vorgesetzten in der Vorklärung von Interventionen und zum Vorgehen im Einzelfall sollten das Seminarangebot ergänzen.

Seminaranbieter sollten spezifische Arbeitseinheiten im Seminar vorsehen, in denen das interne Hilfesystem, d.h. eine haupt- oder nebenamtliche Ansprechperson, der Betriebsarzt etc., das interne Hilfeangebot und die Verfahrensabläufe bei Interventionen vorgestellt wird.

Beratung für Beschäftigte

Es sollten hinsichtlich der Beratung von Beschäftigten grundsätzlich vergleichbare Anforderungen an berufliche Ausbildung, fachliche Qualifikation, Beratungskompetenz, Weiterbildung und Supervision an externe Dienstleister gestellt werden wie an die hauptamtlichen Berater/-innen.

Externe Dienstleister sollten bedarfsorientiert mit einem ressourcen- und lösungsorientierten Fokus beraten können, um Beschäftigte auf dem Weg aus der bestehenden Problemsituation zu begleiten.

Sie sollten, wenn es von der zu beratenden Person gewünscht wird, eine Fallbegleitung oder ein Case Management anbieten.

Sie sollten nicht auf einen spezifischen Ansatz der Suchthilfe festgelegt sein und mit verschiedenen Beratungs- und Facheinrichtungen kooperieren.

Sie sollten eine hohe Bereitschaft zur systemischen Vernetzung im Betrieb mitbringen bei gleichzeitiger Einhaltung der Regeln der Verschwiegenheit und des Datenschutzes.

Beratung beim Aufbau eines betrieblichen Suchtpräventionsprogramms

Externe Dienstleister sollten über vertiefte Kenntnisse des Konzepts betrieblicher Suchtprävention und Suchthilfe verfügen und die Ziele in allen Präventionsbereichen teilen.

Sie sollten die Strukturen und Handlungsbereiche von betrieblichen Suchtpräventionsprogrammen kennen und die Faktoren für eine nachhaltige Verankerung des Programms in der Organisation vermitteln können.

Sie sollten die rechtlichen Grundlagen der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe vermitteln können und in der Lage sein, Betriebe bei der Erstellung einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung bzw. anderer betrieblicher Regelungen zur Suchtprävention, die den aktuellen Standards entsprechen, zu unterstützen.

Externe Dienstleister, die nur einzelne Bausteine im Bereich betrieblicher Suchtprävention und Suchthilfe anbieten können, sollten in der Lage sein, eine konzeptionelle Verbindung zu den anderen Handlungsfeldern herzustellen und dazu beitragen, dass diese ebenfalls entwickelt werden.

Sie sollten die Verantwortungsbereiche und Aufgaben von Führungskräften, Interessenvertretungen und der Fachkräfte im Gesundheitsmanagement überblicken und die verschiedenen Rollen und Interessen der Beteiligten bei der Einführung eines Suchtpräventionsprogramms angemessen berücksichtigen können.

Externe Dienstleister sollten anregen können, wie die Vernetzung der Suchtprävention mit anderen betrieblichen Prozessen effektiv gestaltet werden kann, z.B. durch Verknüpfung der Präventionsangebote mit Maßnahmen der Gesundheitsförderung, der Personal- und Organisationsentwicklung und des Qualitätsmanagements.

Sie sollten die Bedeutung der Weiterentwicklung des Suchtpräventionsprogramms auf der Basis der Festlegung von Zielen, Bedarfsermittlung, Planung von Maßnahmen, Auswertung der Schritte im Hinblick auf die Zielerreichung vermitteln können.

Kriterien für die persönliche Eignung

Externe Dienstleister sollten eine möglichst breite Grundqualifizierung mitbringen und einschlägige Beratungs-, Moderations- und Trainingsmethoden beherrschen. Grundlegende Kenntnisse des Projektmanagements sind von Vorteil.

Die Allparteilichkeit im Beratungsprozess sollte als professionelles Prinzip ebenso gelebt werden können wie die Einhaltung der Schweigepflicht.

Sie sollten für die betriebliche Arbeit über Feldkompetenz verfügen, d.h. über Kenntnis der Organisationsstrukturen von Betrieben und Verwaltungen.

Sie sollten sich bewusst auf die Anforderungen des Systems Betrieb, nicht ausschließlich auf die Hilfe für Einzelpersonen, einstellen können.

Sie sollten in der Lage sein, in der Rolle als Berater/-in im betrieblichen System Klarheit herzustellen und ihren Auftrag immer wieder selbstkritisch zu reflektieren.

Die Durchführung und die Ergebnisse der Angebote zu evaluieren oder evaluieren zu lassen, sollten zur professionellen Kompetenz gehören.

Die Fähigkeit zu Perspektivwechseln sollte als wichtige Voraussetzung für eine breite Akzeptanz gegeben sein.

Ein externer Dienstleister sollte in der Lage sein, nach einer Bedarfs- und Auftragsklärung im Betrieb ein angepasstes Angebot abzugeben und nicht einfach fertige Produkte zu verkaufen.

Quelle
Wienemann, Elisabeth; Schumann, Günter (2011): Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Ein Leitfaden für die Praxis. S 86-88