Traurige und müde junge Ärztin oder Krankenschwester, die auf dem Boden sitzt und ein Handy ans Ohr hält

Unterstützung und Hilfeangebote durch den Betrieb

Ein wesentlicher Bestandteil der betrieblichen Suchtprävention ist Beratung und Suchthilfe. Mit „interner Beratung“ sind betriebsinterne Einrichtungen bezeichnet, die Aufgaben der Beratung und Hilfe übernehmen.

In Problem- und Konfliktsituationen brauchen Beteiligte Unterstützung, insbesondere wenn Suchtmittelkonsum oder suchtbedingtes Verhalten eine Rolle spielen. Eine gezielte Beratung kann die gesundheitlichen Ressourcen der Beschäftigten stärken, gesundheitliche Gefährdungen und Störungen des Betriebsklimas mindern. In konkreten Situationen und Vorfällen hilft Beratung allen Beteiligten, Problem- und Konfliktsituationen zu lösen, indem sie Handlungsempfehlungen für die bestimmte Situation geben kann. Beratung spart dem Unternehmen letztlich (Folge-)Kosten. Je nach Betriebsgröße kann eine unternehmensinterne Beratungsstelle oder eine externe Beratungsdienstleistung besser geeignet sein.

Betriebsangehörige und Management können unterschiedliche Beratungsleistungen in Anspruch nehmen. Es lassen sich unterschiedliche Beratungsfelder unterscheiden:

  • Beratung zur Vorbereitung von Interventionen
  • Beratung und Hilfe für Beschäftigte und 
  • Fallbegleitung 

Diese drei Beratungsfelder werden in den folgenden Abschnitten im Einzelnen beschrieben.

Personalverantwortliche sollten bei Auffälligkeiten im Betrieb möglichst frühzeitig handeln. Zur Vorbereitung von Gesprächen und Interventionen wird empfohlen, fachliche Unterstützung einzuholen. Es geht dabei um die Entscheidung, welche Art von Gespräch oder Intervention angezeigt ist, welche Konsequenzen gefordert sind und welche Hilfsangebote Betroffenen seitens des Betriebes unterbreitet werden sollten.

In der Beratung zur Vorbereitung von Interventionen geht es darum, die Handlungsfähigkeit der Personalverantwortlichen zu erhöhen. Dafür sollten z.B. die Gespräche des Stufenplans auch unter Einbeziehung einer internen oder externen Beratung im Vorfeld durchgeplant werden. Die Beratung legt mit der Führungskraft zusammen den „roten Faden“ für das Gespräch schriftlich fest.

Der rote Faden für Stufengespräche

• Auffälligkeiten, die angesprochen werden sollen, konkret und möglichst mit Daten notieren
• Hinweis auf den Zusammenhang zum Suchtmittelgebrauch und/oder zu suchtgefährdetem Verhalten geben
• Wirkungen des Verhaltens in der Arbeitssituation und auf das Arbeitsumfeld, Hinweis z. B. auf Sicherheits-,
Qualitäts- oder Gesundheitsprobleme und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit benennen
• Aufforderung, sich anlassbezogen über Risiken und mögliche Gefährdungen durch das beanstandete
Verhalten und deren Vermeidung von der Beratung/Ansprechperson für Suchtfragen informieren zu lassen
(anlassbezogene Unterweisung, sofern noch nicht erfolgt)
• konkret beschreiben, welches Verhalten zukünftig in der Arbeitssituation erwartet wird
• Zusage der Unterstützung durch den Betrieb, Hinweis auf interne oder externe Beratungsangebote
• Übergabe des ausgedruckten Stufenplans (im ersten Gespräch), Hinweis auf das weitere Vorgehen im Stufen-
verfahren bei Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens
• Verabredung eines Rückmeldegesprächs bei positiver Entwicklung zum festgesetzten Zeitpunkt: Datum/
Kalenderwoche

Hinweis auf weitere Stufengespräche und ggf. Sanktionen bei Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens,

Verabredung eines Rückmeldegesprächs (sofern keine erneuten Auffälligkeiten auftreten).

Quelle
Wienemann, Elisabeth; Pegel-Rimpl, Ute (2022): Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Ein Handbuch für die Praxis. S.147

Der Vorteil der Beratenden ist, dass sie sich der Situation und der Vorbereitung der Gespräche oder Interventionen sachlich-fachlich nähern können. Im Gegensatz zu den Führungskräften stehen sie nicht in Rollenkonflikten mit den Betroffenen.

Beratende unterstützen die Führungskräfte indem sie ihre fachliche Kompetenz  bei der Vorbereitung einbringen. Interne Beratende sind bei den Gesprächen nur dann anwesend, wenn ein Einverständnis des Beschäftigten vorliegt. Sie übernehmen aber nie die Gesprächsführung für den Vorgesetzten. Gemeinsam mit den Führungskräften orientieren sich Beratende an einem Raster von Leitfragen zur Vorbereitung von Gesprächen:

Interne Beratungsstellen haben einerseits die Aufgabe, Informationen zum Themenkreis Suchtmittelkonsum und Suchtgefährdungen zur Verfügung zu stellen und allen Mitarbeitern zugänglich zu machen.

Andererseits übernimmt die Beratung auch Aufgaben in konkreten Situationen, z.B. immer wenn im Rahmen des Stufenplans Betroffenen empfohlen wird, in Stufengesprächen eine fachliche Beratung hinzuzuziehen.

Dem Betroffenen kann eine solche Beratung nicht vorgeschrieben werden. Es bleibt eine Empfehlung. Allerdings kann verbindlich vorgeschrieben werden, dass sich Betroffene über angemessene Beratungs- und Behandlungsangebote informieren.

Beratung für auffällig gewordene Beschäftigte enthält:

  • Information über interne und externe Beratungsmöglichkeiten und -angebote
  • Erstgespräche im Beratungsprozess zur Klärung des Anliegens und des Lösungsziels
  • motivierende Gespräche und begleitende Beratung zur Klärung weiterer Schritte
  • fachliche Begleitung bei den ersten Bemühungen zur Konsumreduzierung
  • Unterstützung bei der Aufnahme von Kontakten zu externen Beratungs- und Therapieeinrichtungen
  • Fallbegleitung im Interventionsverfahren und während ambulanter und/oder stationärer Therapie
  • Vorbereitung und Begleitung der Wiedereingliederung nach einer Therapie
  • Beratung von Angehörigen (auf Wunsch der betroffenen Person und sofern der betriebliche Auftrag dies
    vorsieht

In der Beratung geht es darum, gemeinsam Wege zu erarbeiten, wie das beanstandete Verhalten mit Unterstützung des Betriebes zu überwinden ist. Im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe sollen die Ressourcen der Betroffenen gestärkt werden, um selbstständig Veränderungen einzuleiten oder sich in Fachberatung und -behandlung zu begeben und therapeutische Unterstützung dafür in Anspruch zu nehmen. Das Beratungsverfahren sollte so angelegt sein, dass die betroffene Person durch lösungsorientierte Fragen auf ihrem Weg zur Veränderung begleitet wird. „Bedrohungsszenarien“ und „gute Ratschläge“ sowie „nur die eine beste Lösung“ sind zu
vermeiden.

Quelle: Wienemann, E.; Pegel-Rimpl, U. (2022) 
Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Ein Handbuch für die Praxis S. 148

Literaturempfehlungen

Bürgi, A.; Eberhart, H. (2004)
Beratung als strukturierter und kreativer Prozess. Ein Lehrbuch für die ressourcenorientierte Praxis
Göttingen, 2004

Ebeling, Jörg (2004)
Gutachten: Case Management in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe
Fuldabrück, 2004

Fuchs, Reinhard; Rainer, Ludwig; Rummel, Martina (1998)
Alkoholprobleme bei Mitarbeitern: Entscheiden und Handeln von Führungskräften im organisationalen Kontext
In: Betriebliche Suchtprävention
Göttingen, 1998

Miller, W.R.; Rollnick, St. (2005)
Motivierende Gesprächsführung. Ein Konzept zur Beratung von Menschen mit Suchtproblemen
Freiburg, 2005

Puls, Wichard (2003)
Arbeitsbedingungen, Stress und der Konsum von Alkohol. Theoretische Konzeptionen und empirische Befunde
Opladen, 2003

Rummel, M.; Rainer, L.; Fuchs R. (2004)
Alkohol im Unternehmen. Prävention und Intervention
Göttingen, 2004

Schumann, Günter (2004)
Gesundheitsförderliches Führungsverhalten und lösungsorientierte Interventionen am Arbeitsplatz
Oldenburg, 2004

Wendt, Wolf Rainer (1999)
Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen
2. Auflage
Freiburg, 1999

Wienemann, Elisabeth (2000)
Vom Alkoholverbot zum Gesundheitsmanagement. Entwicklung der betrieblichen Suchtprävention von 1800 bis 2000
Stuttgart, 2000

Wienemann, E.; Pegel-Rimpl, U. (2022) 
Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Ein Handbuch für die Praxis
Online Verfügbar: Link zum PDF

Ziegler, Herbert; Brandl, Gabriele (2005)
Suchtprävention als Führungsaufgabe – Lösungsorientierte Strategien für den Betrieb
Wiesbaden, 2005